Recht

Die schwarze Kali

Nachdem ich meinem Yoga-Lehrer von den Klagen erzählt habe, die ich im letzten und in diesem Jahr gegen meine Arbeitgeberin eingereicht habe, nannte er mich die schwarze Kali. In Indien ist Kali als Erdengöttin oder Große Mutter bekannt. Das Sanskrit-Wort Kali bedeutet „die Schwarze“, weshalb sie auch als Schwarze Göttin bezeichnet wird. In etlichen hinduistischen Mantren wird sie gepriesen. Dazu passt an dieser Stelle das tolle Mantra-Album Om Namah Shivay! von Nina Hagen wie gerufen. Wenn du ins Video klickst, startet das Album bei Minute 11:11 (welch göttliche Zahl!), wo das Mantra Jay Mata Kali, Jay Mata Durge! beginnt.

Schwing dich erstmal ein in dieses Mantra…

Kali Durge

Namo Namaha

Jay Mata Kali

Jay Mata Durge

 

Kali = die Schwarze
Durge = als Göttin verehrter Ursprung des Universums, Vernichterin diverser Dämonen
Namo/Namaha = Verneigung/Verehrung
Jay = Sei siegreich!
Mata = Mutter

Spürst du auch diese Power, dieses Vorantreibende, diese Unaufhaltsamkeit im Groove?!

Im umfangreichen Wiki von Yoga Vidya, dem ich die meisten dieser Informationen entnommen habe, erfährt man, dass wir auf der Erde gerade in der Endphase des Kali-Yuga leben, dem dunkelsten aller möglichen Zeitalter.

Dieses Zeitalter ist geprägt von Egoismus und Materialismus, ausgeprägt etwa durch die Verehrung von Reichtum und Besitz. Die göttliche Mutter hilft, das Negative dieses Zeitalters zu überwinden.

Es ist möglich, dass Kali Reichtum nimmt, wenn er durch unethisches Handeln erworben wurde. Unwahrhaftigkeit und Bestechlichkeit haben unter ihr keinen Bestand mehr. Wenn man gegen ethische Grundsätze verstößt, zeigt die schwarze Göttin, welche Konsequenzen das haben kann.

Die Schwarze wird auch häufig blau dargestellt, wie in diesem Gemälde von Raja Ravi Varma. Hier tanzt sie auf Shiva, einem der Hauptgötter des Hinduismus, und ist mit abgeschlagenen Köpfen und Händen der von ihr besiegten Dämonen geschmückt.

Am 30. November 2022 finden um 11.00 Uhr im Verwaltungsgericht Arnsberg die Gerichtsverhandlungen zu den Klagen statt, die ich im letzten und in diesem Jahr gegen meine Universität eingereicht habe. Das Gericht teilt ausgewählte Termine von Gerichtsverfahren auf seiner Webseite in einer Terminvorschau mit. Wenn du in die Vorschau für November schaust, findest du am Ende drei Verfahren gegen meine Universität. Nur die ersten beiden („Berufungszusage“ und „Übertragung von Aufgaben nach dem Arbeitsschutzgesetz“) betreffen meine Klagen.

Hinweis

Für den Fall, dass du in der akademischen Welt nicht so bewandert bist, habe ich für dich in meinem letzten Beitrag Komm rüber eine schlaglichtartige Kurzübersicht über das deutsche Hochschulsystem und dessen Umbau seit dem Ende der 1990er Jahre gegeben. Mit den dort gegebenen Infos sollte es leichter sein, das hier Geschilderte einzuordnen.
Was ist eine Berufungszusage?
 
Wenn eine Hochschule eine freie Professur besetzen möchte, schreibt sie die Stelle aus, so dass sich Kandidat*innen bewerben können. In einem langwierigen Verfahren werden die Bewerber*innen auf Herz und Nieren geprüft. Bei meiner aktuellen Professur dauerte es 2 Jahre von meiner Bewerbung bis zum Dienstbeginn. Hat sich eine Hochschule für eine Person entschieden, so ergeht ein „Ruf“ an die Person. Ab diesem Zeitpunkt finden die sog. Berufungsverhandlungen zwischen Kandidat*in und Rektorat statt. Gegenstand dieser Verhandlungen sind im Wesentlichen das persönliche Gehalt (siehe hierzu auch den Beitrag Komm rüber), die Anzahl der Räume und Mitarbeiter*innen des zukünftigen Lehrgebiets, sowie dessen weitere Ausstattung (etwa technische Geräte und Finanzmittel). Wird man sich einig, d.h. nimmt der/die Bewerber*in den Ruf an, werden die Ergebnisse dieser Verhandlungen in der Berufungszusage schriftlich festgehalten. Diese wird somit – neben den einschlägigen Artikeln unseres Grundgesetzes, insbes. Art. 5(3) (Freiheit von Forschung und Lehre) – die Grundlage für die künftige Dienstausübung als Beamtin oder Beamter an dieser Hochschule.

Eine besondere Ästhetik dieser Verfahren liegt darin, dass mir das Universum über den Auslöser meiner persönlichen Betroffenheit meine Berufungszusage betreffend (Verfahren „Berufungszusage“) die Gelegenheit gegeben hat, zugleich einen Prozess anzustoßen, der das Potential hat, eine echte Befreiung für Viele darzustellen: unmittelbar für meine Kolleg*innen an meiner Universität, mittelbar aber auch für die große Mehrheit der über 50.000 Professorinnen und Professoren an allen deutschen Hochschulen (Verfahren „Übertragung von Aufgaben nach dem Arbeitsschutzgesetz“). Aber der Reihe nach.

Wie du dir vielleicht denken kannst, verklagt frau nicht einfach mal so ihre Arbeitgeberin. Vielmehr gab es im Dezember 2020 ein auslösendes Ereignis, das sich in eine lange Kette von Ereignissen reihte, die im Grunde bis zu meinem Dienstbeginn im Jahr 2010 zurückreichen. Diese teilweise lange zurückliegenden Ereignisse möchte ich jedoch nicht näher ausführen, und sie sind auch nicht Gegenstand meiner Klagen.

Verfahren „Übertragung von Aufgaben nach dem Arbeitsschutzgesetz“

Stattdessen möchte ich mit einer Schilderung der Vorgeschichte zum Thema „Übertragung von Aufgaben nach dem Arbeitsschutzgesetz“ in Deutschland beginnen. But keep in mind: Ich bin juristische Laiin, so dass Juristen möglicherweise andere Schwerpunkte bei der Betrachtung dieses Themas setzen würden. Es geht jetzt also erstmal etwas trocken los. Weiter unten wird’s aber lustiger.

Im Jahr 1989 hat die EU die „Europäischen Richtlinien zu Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit“ verabschiedet. In den 1990er Jahren wurden diese in deutsches Recht übertragen. Bereits damals fand an den Universitäten eine Debatte darüber statt, wie das Arbeitsschutzrecht an Hochschulen umgesetzt werden kann. Und bereits damals war man zu der Erkenntnis gelangt, dass viele der Regelungen, die wohl ursprünglich hauptsächlich für Arbeit in Unternehmen gedacht waren, und in denen sich ein Weltbild rigider, hierarchischer Befehlsketten widerspiegelt, nicht so recht an eine Universität passen. Denn einerseits waren die Universitäten zum damaligen Zeitpunkt zwar formal hierarchisch organisiert, doch in der Praxis noch von Selbststeuerung und Selbstbestimmung geprägt, und Entscheidungen wurden überwiegend dezentral und bottom-up getroffen. Und andererseits wurden auch schon damals Bedenken geäußert, dass sich Teile des Arbeitsschutzrechts bei Anwendung auf Universitäten wohl eher nicht mit Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes vertragen, in dem die Freiheit von Forschung und Lehre sowie Kunst und Wissenschaft geschützt wird.

Im Laufe der Jahre gingen aber mehr und mehr Hochschul-Rektorate dazu über, die eigentlich ihnen obliegenden Pflichten im Arbeitsschutz nach unten weiterzureichen, d.h. auf die Professor*innen zu übertragen. Dies geschah häufig unter Androhung von Freiheitsstrafen und Haftung ins Privatvermögen für den Fall, dass etwas schief ging und prof doch mal eine der Regeln übersehen hatte, die es zu befolgen gilt. Dieses Regelwerk inkl. mitgelieferter Handreichungen ist aberwitzig komplex, umfangreich, häufig unverständlich, teilweise mit Verweisen ins EU-Recht und manchmal sogar in sich widersprüchlich. Manche der Auflagen sind, auch wegen des bürokratischen Aufwandes, der mit ihnen einhergeht, gar nicht erfüllbar, zumindest nicht, ohne unsere eigentlichen Aufgaben (Forschung und Lehre) erheblich einzuschränken. Gern hätte ich dir hier ein Beispiel für die Absurditäten gegeben, die mit den Auflagen einhergehen, aber ach! Ich müsste mich dazu erneut in diesen Kaninchenbau begeben, und schon allein die Vorstellung davon versetzt mich in ein Halbkoma…

Die meisten Universitätsrektorate waren aber oft so freundlich, Unterstützung anzubieten. Und tatsächlich wurde auch häufig ganz konkret unterstützt. So etwa mit Begehungen der Lehrgebiete und nachfolgend erteilten Hinweisen/Auflagen, wie bspw. die Mitarbeiter darin zu schulen, wie Pappkartons gefahrlos verwahrt werden, d.h. insbes. nicht, indem man sie auf Schränken ablegt, da sie von dort herunterfallen und Verletzungen verursachen können.

Kalis Augen sehen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die schwarze Göttin zerstört das Ego und fördert mentale Stärke. Sie kann nicht nur Angst vertreiben, sondern auch Wünsche erfüllen. Kali steht für radikale und kompromisslose Veränderungen und dafür, Liebe zu kultivieren und Freude zu erfahren.

Eine wichtige Unterstützung bestand oft in dem Angebot von Schulungsveranstaltungen. Ein Angebot, das man nicht ablehnen konnte! Auf diesen Veranstaltungen erklärten häufig Referenten aus der Industrie, wie Arbeitsschutzauflagen in der Industrie umgesetzt werden. Dann konnte es auch schon mal vorkommen, dass auf Nachfragen, wie denn die Verhältnisse an Universitäten seien, der Hinweis erfolgte, dass man das nicht so genau wisse. Aber prof solle sich keine Sorgen machen, an Universitäten sei das alles nicht so wild, und häufig genüge es bereits, wenn prof seine Mitarbeiter darauf aufmerksam mache, sich doch bitte nicht an spitzen Tischecken zu stoßen.

Mancherorts wurde auch der unterstützende Hinweis gegeben, Professoren könnten die eigene Haut retten, indem sie die an sie delegierten Pflichten ihrerseits eine Hierarchiestufe weiter nach unten reichten, d.h. also an die eigenen Mitarbeiter. – Mit der Konsequenz, dass diese dann als letzte in der Befehlskette ständig mit einem Bein im Gefängnis stünden.

Trotz ihrer schrecklichen Gestalt ist Kali Beschützerin der Menschen, denn ihre Wut richtet sich nicht gegen die Menschen, sondern gegen die Ungerechtigkeit. Sie ist Zerstörerin negativer Kräfte, durchschneidet Verwirrung und Unwissenheit und macht den Weg frei zur Erlösung.

Im Jahr 2009 gab es einen ersten Versuch, diesen Dämon auf juristischem Wege loszuwerden. Ein Jura-Professor einer Bayerischen Universität klagte gegen die Pflichtenübertragung und verlor zunächst in zwei Instanzen (vor dem Verwaltungsgericht Augsburg und dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München). Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Fragestellung wurde jedoch die Revision zugelassen. 2016 gab das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig dem Kläger im Revisionsverfahren dann recht. Es legte allerdings diverse Voraussetzungen fest, unter denen Hochschulleitungen die Arbeitschutzpflichten dennoch an Professor*innen übertragen können. Guess what! Die Übertragungspraxis wurde natürlich nicht eingestellt, sondern fortan gemäß dem BVerwG-Urteil modifiziert fortgeführt. Die Androhung von Haftstrafe  blieb.

Dieses Urteil wurde in Hochschulkreisen intensiv besprochen. Aus den damaligen Diskussionen war mir eine Bedingung in Erinnerung geblieben, die sich aus dem Urteil ableiten ließ, nämlich dass mit der Übertragung von Arbeitsschutzpflichten auch die Übertragung des Hausrechts für das Lehrgebiet erfolgen musste. Dieser Umstand ist aus juristischer Sicht wahrscheinlich eher marginal, spielt aber für den weiteren Verlauf der Dinge eine wichtige Rolle, wie du gleich erfahren wirst.

Verfahren „Berufungszusage“

Im Oktober 2020 habe ich die Übertragung von Arbeitsschutzpflichten für Räume und Personal von meinem Rektorat erhalten. Zwei Monate später, an einem Samstag im Dezember, ereignete sich das oben bereits erwähnte, auslösende Ereignis aus der Kategorie „Berufungszusage“. Wie der beste aller Anwälte mir später erklärte, sind Meinungsverschiedenheiten um die Zuteilung von Räumen an Universitäten ein eher nicht so seltener Anlass für juristische Auseinandersetzungen.

An besagtem Samstag also fand ich eine E-Mail von meinem Dekanat in meinem Posteingang, die Räume meines Lehrgebiets betreffend. Daraufhin spürte ich eine Wutwelle in meinem Körper aufsteigen, mit der ich zunächst nicht mehr anzufangen wusste, als mich in den Sattel zu schwingen und vier Stunden Rad zu fahren. – Schnell Rad zu fahren. Nach dem Radfahren kommt bei mir immer noch der Heim-Triathlon (Dusche, Kühlschrank, Sofa). So auch dieses Mal. Auf diese Weise ausgepowert und gedankenbefreit fiel ich einen tiefen Schlaf, in dem sich mir die buntesten Zukunftsvisionen zeigten. Als ich am anderen Morgen erholt aufwachte, lag die Lösung klar vor meinen Augen. Hatte ich nicht genau zu diesem Zweck, nämlich um Gefahr von meinen Räumen und Mitarbeitern abzuwenden, zwei Monate zuvor die Übertragung des Hausrechts von meinem Rektorat erhalten? Noch dazu mit Androhung von Gefängnis, wenn ich in einer Gefahren-Situation zu zögerlich handelte? Es war wirklich keine Zeit zu verlieren! Also setzte ich mich am Sonntag unverzüglich an den Schreibtisch und verfasste ein 6-seitiges Hausverbot für mein Dekanat, welches ich in der am darauffolgenden Montag stattfindenden 111. Fakultätsratssitzung (welch göttliche Zahl!) verlas.

Kennst du das?

Diese unbedingte Gewissheit, alles richtig gemacht zu haben?

Möchtest du jetzt vielleicht noch einmal bei Nina Hagen reinklicken?

Also bei 11:11… ?

… Kaaali Duhurrrgeeee …

… Namo Namahaaaaa …

… Kaaali Duhurrrgeeee …

… Namo Namahaaaaa …

Nachdem ich so einige Tage lang auf einer Euphorie-Welle durch die Welt gesurft war, kam mir irgendwann der Gedanke, dass ich vielleicht doch einen Anwalt gebrauchen könnte. Ich fand, wie bereits erwähnt, den besten aller möglichen. Das kannst du ungerecht finden, weil das die Gegenseite automatisch in eine schlechtere Position versetzt. Aber so ist das eben. Gemeinsam reichten wir beim Verwaltungsgericht Arnsberg eine Klage gegen die Übertragung von Arbeitsschutzpflichten und eine weitere Klage meine Berufungszusage betreffend ein. Letztere erweiterten wir in diesem Jahr mit einer weiteren Klage.

Die Gerichtsverhandlungen sind übrigens öffentlich. Wenn du am 30.11. mit einer größeren Gruppe teilnehmen möchtest, solltest du dich allerdings zuvor mit dem Pressesprecher des Gerichts in Verbindung setzen, und für Ton-, Fernseh- und Rundfunkaufnahmen benötigst du eine Genehmigung des Gerichtspräsidenten.

Sooo… bevor wir nun locker aus diesem Beitrag hinausfedern, trag‘ dich noch schnell in meine Benachrichtigungen bei neuen Beiträgen ein, damit du nichts Wichtiges mehr verpasst!

Du ahnst es! Dieser Beitrag dient nicht nur dazu, dich zu informieren, sondern auch, um schon mal ein wenig vorzuglühen und mich für die Prozesse auf eine angenehme Betriebstemperatur zu bringen. – Glüh‘ mit! – Und schreib‘ mal unten was in die Kommentare!

The best is yet to come!

Und wie sich das genau anfühlt, zeige ich dir in meinem nächsten Beitrag

Bildnachweise: Headerbild: Kali trampling Shiva, Raja Ravi Varma (1848-1906), circa 1910, public domain work of art

Weitere Bilder: Kali holding a demon’s head, Watercolour with pencil and silver paint, Wellcome Library No. 589411i, wellcomecollection.org, CC-BY-4.0  and  Impersonators of Goddess Kali, PixaHive.com, photograph by Abhijit, CC0

 

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